Kreislaufwirtschaft & C2C – Schlüsselkonzepte auf den Weg zur Klimaneutralität

Die Ansprüche an die Industrie 4.0 wachsen. Neben Schlüsselthemen wie Digitalisierung und Automatisierung rücken die Auswirkungen der Industrie auf Natur und Umwelt zunehmend in den Fokus. Mit der Green Deal Agenda und dem Circular Economy Action Plan hat die Europäische Union als Gesetzgeber nun Schritte eingeleitet, durch die bis 2050 im großen Maßstab Klimaneutralität erreicht werden soll. Für das Produktdesign innerhalb der Industrie erfordert dies ein Umdenken. Susanne Felkner von Dematic erklärt, wie der Intralogistikspezialist die Herausforderung annimmt.

Cradle to Cradle® ist ein Designprinzip, das in den 1990er Jahren von Prof. Dr. Michael Braungart, William McDonough und der EPEA (Environmental Protection Encouragement Agency) Hamburg entwickelt wurde. Übersetzt bedeutet es: „Von der Wiege zur Wiege“ und nimmt dabei Bezug auf die Zirkulation von Materialien, die potenziell unendlich andauern sollen. Die große Idee dahinter: Müll im heutigen Sinne, wie er durch das bisherige „Take-Make-Waste“-Modell entsteht, soll es nicht mehr geben, sondern nur noch nutzbare Nähr- und Materialstoffe – ganz nach dem Vorbild von Mutter Natur.

Die Innovationsabteilung des Intralogistikspezialisten Dematic befasst sich seit geraumer Zeit mit dem Cradle 2 Cradle-Prinzip. Susanna Felker, Concepting Engineer und Projektverantwortliche bei Dematic, weiß: Durch die Berücksichtigung von C2C im Produktdesign lassen sich nachhaltige Pfade beschreiten – und jede Menge Innovationspotential schaffen.

Das Cradle 2 Cradle-Prinzip bezeichnet im Grunde zwei Kreisläufe – korrekt, Frau Felker?

Das ist richtig. Cradle to Cradle unterteilt Produkte in zwei Kreisläufe: einen biologischen und einen technischen. Im biologischen Kreislauf zirkulieren z. B. Naturfasern, Reinigungsmittel oder biologisch abbaubare Verpackungen, die nach ihrem Gebrauch sicher in den Kreislauf zurückgeführt werden können. Im technischen Kreislauf zirkulieren beispielsweise Haushaltsgeräte, die aus langlebigen Materialien wie Metall und Kunststoff bestehen – so wie unsere Lagertechnikprodukte. Es handelt sich also um zwei Kreisläufe, die getrennt voneinander betrachtet werden müssen, aber konzeptuell ineinander greifen.

Wie setzen Sie die Idee des Designprinzips bei Dematic um?

Ein Verwandter des Cradle-2-Cradle-Prinzips spielt bei uns bereits seit geraumer Zeit eine wichtige Rolle: die Lebenszyklus-Analyse. Hier bestimmen wir die Summe der Umweltauswirkungen der Produktmaterialien – und das über alle Lebenszyklusphasen hinweg. Es spielt keine Rolle, ob es sich hierbei um die Herstellung, die eigentliche Nutzungsphase oder die Entsorgung handelt: Überall knüpfen Prozesse an, die Auswirkungen auf die Umwelt haben. Die aus der Lebenszyklus-Analyse bezogenen Daten bilden dann die Basis, um Optimierungsschritte einzuleiten.

Optimierungsschritte wie den C2C-Ansatz?

Exakt. Der C2C-Ansatz ist eine Weiterentwicklung und dient uns zugleich als eine gute Grundlage für die Entwicklung neuer Produkte. Denn wenn wir unsere Produkte bereits im Entwicklungsprozess als Ressourcen für ein nachfolgendes Produktleben begreifen, dann können wir die Produkte so designen, dass die verwendeten Materialien am Ende des Produktlebenszyklus im technischen Kreislauf verbleiben und als Ressource für neue Produkte bereitstehen. Und genau das ist das Umdenken, das wir mit unserem Cradle-to-Cradle-Projekt anstoßen wollen.

Welche erste Produktkandidaten bei Dematic gibt es, um dieses Kreislaufprinzip anzuwenden?

Das Dematic Multishuttle ist eine unserer beliebtesten und meistverkauften Lösungen. Rund 400 unterschiedliche Komponenten stecken darin – und jede einzelne wird aktuell von uns unter die Lupe genommen. Wir analysieren die verwendeten Materialien und prüfen aus C2C-Sicht die Materialgesundheit und ob sie bei ihrer Beschaffung ein Risiko für Mensch und Umwelt darstellen. Auch versuchen wir, die Wiederverwertbarkeit der Materialien zu ermitteln und Antworten auf die Fragen zu finden: Sind die zum Einsatz kommenden Rohstoffe recycelbar – oder gibt es gesündere Alternativen?

Wird man das Multishuttle in naher Zukunft also komplett nach der Cradle-to-Cradle-Philosophie bauen können?

Diese Frage können wir im Moment noch nicht zuverlässig beantworten. Wenn wir uns aber die Denkweise von Cradle to Cradle zu eigen machen, können wir eine deutliche Verbesserung der Kreislauffähigkeit erzielen. Denn langfristig sollte das Ziel sein, nicht nur negative Einflüsse zu minimieren, sondern auch einen positiven ökologischen Fußabdruck zu hinterlassen.

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