Urbane Logistik: Wo versteckt der Supermarkt sein Lager?

Im Supermarkt sind die Regale fast immer voll, alle Produkte gibt es in zig Varianten – sogar mitten in der Stadt, wo kein großes Warenlager zur Verfügung steht. Wie funktioniert das eigentlich? Im vierten Teil unserer Serie „Urbane Logistik“ erklären wir es.

Im Angebot gibt es alles – und zwar rund um die Uhr. Das ist inzwischen unser Anspruch an den Einzelhandel. Allein im Supermarkt hat sich die Zahl der angebotenen Produkte in den vergangenen Jahren verzigfacht: Man denke allein an die Geschmacksrichtungen von Joghurt oder die Varianten von Fertigpizza – und multipliziere das mit spezialisierten Sorten wie laktose- oder glutenfreien Angeboten.

Wer auf Anbieterseite allerdings alles jederzeit für den Kunden parat haben will, braucht ein großes Lager. Und zwar ein sehr großes: Ein typisches Distributionszentrum ist inzwischen so groß wie 13 Fußballfelder. Bloß: Ein einzelnes, großes Lager vor den Toren der Stadt reicht auch nicht. Denn der Weg dorthin ist einfach zu weit und kostet zu viel Zeit. „Entscheidend ist, dass das Inventar näher an den Kunden rückt“, sagt Alex Dale, Global Retail Solution Consultant beim Supply-Chain-Spezialisten Dematic.

Alle wichtigen Produkte auf kompaktem Raum

Eine Möglichkeit, das Problem zu lösen, ist ein Netzwerk von sogenannten Micro-Fulfillment-Centern, also kleine, automatisierte Lager, die wenig Platz benötigen – nur etwa ein Zehntel eines Fußballfelds. Klein genug, um in die hinteren Räume eines Supermarkts zu passen. Oder sich, platzsparend und elegant, direkt in die Nachbarschaft zwischen Wohnhäuser zu schmiegen. „Der Schlüssel ist dabei die Vernetzung“, betont Dale: Je häufiger ein Produkt nachgefragt ist, desto näher liegt es bereit.

Micro-Fulfillment-Center lassen sich in bis zu drei verschiedene Temperaturzonen unterteilen, inklusive Raumtemperaturlager, Kühlregal und Tiefkühlregal. Shuttles fahren durch die Gänge und bringen das gewünschte Produkt an eine Picking-Station, wo die Bestellung von einem Menschen finalisiert wird. Der Effekt: Läden können auf elegante Weise ihr Sortiment vergrößern, ohne dass sie dafür tatsächlich mehr Platz brauchen. Ein solch kleines Lager hält auf vergleichsweise kleiner Fläche problemlos etwa 80 Prozent all jener Produkte bereit, die von den Kunden beim Einkauf erwartet werden.

Im Sommer mehr Eiscreme

Um den Anspruch der Kunden zu jeder Zeit zu befriedigen, ist viel Datenanalyse gefragt, sagt Experte Dale: „Die Wünsche der Kunden ändern sich ja dauernd.“ Einfaches Beispiel: Im Sommer ist mehr Eiscreme gefragt als im Winter. Noch vor ein paar Jahren verstand der Handel unter „Digitalisierung“ vor allem die Software im Warenlager selbst, inzwischen geht es um die digitale Verbindung vom Produzenten bis zum Kunden.

In Zukunft werden etwa 60 Prozent der Weltbevölkerung in urbanen Zentren leben. Die Trends der vergangenen Jahre verstärken sich eher noch – etwa Online-Bestellung von Lebensmitteln. Hinzu kommt die erhöhte Erwartungshaltung an Geschwindigkeit und Verfügbarkeit. „Wir sehen eine klare Entwicklung von zentralisierten Strategien zu hyperlokalen Standorten“, sagt Dematic-Experte Dale.