In Zeiten von Klimawandel und Diesel-Skandal stellt sich die Frage: Wie werden Flotten zukünftig angetrieben? Der Bedarf nach wirtschaftlichen, nachhaltigen Lösungen für die Intralogistik ist riesig, neue Ausstattungen oder Aufrüstungen sind jedoch noch immer kostenintensiv. Im Interview geht Linde Material Handling-Experte Stephan Rübhagen auf die Vor- und Nachteile zwei populärer Formen ein – Lithium-Ionen-Batterien und Brennstoffzellen – und gibt erste Prognosen zur Zukunftsfähigkeit der beiden Antriebsmöglichkeiten ab.
Herr Rübhagen, wenn Sie einen Kunden zum Umstieg auf Lithium-Ionen bewegen wollten – was wäre Ihr Hauptargument?
Das hängt immer vom individuellen Einsatzprofil ab: Welches Schichtmodell wird gefahren? Wie intensiv ist der Einsatz? In welchen Temperaturbereichen wird gearbeitet? Wenn ich mich auf ein Hauptargument festlegen müsste, dann wäre das die überragende Energieeffizienz dieser Technologie: Den Strom, den Sie in die Akkus stecken, bekommen Sie zum Großteil in Bewegungsenergie umgesetzt. Gegenüber konventionellen Blei-Säure-Batterien arbeiten Lithium-Ionen-Systeme bis zu 30 Prozent effizienter.
30 Prozent klingt zunächst sehr überzeugend. Welche weiteren Eigenschaften bringt diese Technologie mit sich?
Da gibt es eine Reihe von Faktoren: lokal emissionsfreier Betrieb, keine Batteriegase, die Beständigkeit gegen extreme Temperaturen und das denkbar einfache Handling. Zwischen- und Schnelllademöglichkeit machen diese Technologie besonders für Mehrschichtsysteme interessant. Je nach Akkukapazität und Ladegerät können Kunden in wenigen Minuten über eine Stunde Fahrzeit generieren. Eine kleine 24-Volt-Batterie ist mit unserer performantesten Ladeeinheit in gerade einmal einer Stunde wieder vollgeladen.
Sprechen wir über eine zweite, derzeit vieldiskutierte Energielösung für Flurförderzeuge: Welche Chancen sehen Sie für die Brennstoffzelle?
Aus technologischer Sicht besitzt die Brennstoffzelle enormes Potenzial für den Einsatz im Warenhandling. Brennstoffzellen-Geräte sind lokal emissionsfrei unterwegs und punkten durch eine extrem hohe Verfügbarkeit, denn der Tankvorgang dauert kaum länger als bei Diesel- oder Treibgasstaplern. Aufgrund der hohen Energiedichte absolvieren diese Fahrzeuge lange Einsätze absolut mühelos.
Das klingt zunächst alles ziemlich gut. Und was ist die Kehrseite dieser Medaille?
Für Hersteller derzeit vor allem die Wertschöpfungskette – und für Kunden die Infrastruktur. In der Anschaffung liegen die Brennstoffzellen-Stapler auf einem ähnlichen Niveau wie ihre Lithium-Ionen-Pendants; aber Unternehmen benötigen zusätzlich eine eigene Wasserstofftankstelle inklusive Wasserstofflieferant oder eine Elektrolyseanlage vor Ort. Vor allem bei großen Flotten kann sich die Brennstoffzelle aber durchaus auszahlen.
Wer wird also perspektivisch die Nase vorn haben – Li-Ion oder die Brennstoffzelle?
Bei Linde Material Handling haben wir mit beiden Konzepten Erfahrung gesammelt, mit der Brennstoffzelle bereits seit 1997. Doch im Alleingang kann man die Technologie nicht im Markt etablieren. Es braucht weitere Mitstreiter, vor allem in den Bereichen Infrastruktur und Wasserstoffproduktion. Langfristig sollte die Brennstoffzelle bei entsprechenden Rahmenbedingungen aufgrund der hohen Geräte-Verfügbarkeit an Attraktivität gewinnen. Auch die Li-Ion-Technologie wird sich weiterentwickeln, vor allem in Sachen Nachhaltigkeit und Energiedichte gibt es noch Potenzial. Ich denke, beide Technologien werden nebeneinander existieren und sich optimal ergänzen. Kein „entweder oder“, vielmehr ein „sowohl als auch“.